Electro Swing – Mehrspur Blog #6

Electroswing? Wie kam es überhaupt zu dieser Musikrichtung?

Vielleicht waren es die Freundinnen dieser Welt, die ihre Partner gerne an Verkleidungspartys schleppen, aber nicht wie Verwilderte in schlechten Tarzan & Jane Outfits aussehen wollen. Darauf hin wurden unzählige Stunden in das Erlernen des komplexen Musikprogramms Ableton investiert mit dem Etappenziel herauszufinden, wie man Kick Drums unter alte Jazz Samples setzt um den Electroswing kreieren zu können.

Eine neue Musikrichtung zu erfinden mit der Absicht wieder ungeniert in glamourösen Roaring Twenties Outfits durch die Nächte hüpfen zu können ist völlig legitim. Wie dem auch sei, das Genre existiert nun mal, ob es dir gefällt oder nicht. Und es zieht weit viel mehr und angenehmere Leute an, als deine kleinen WG-Parties, an die ausschliesslich staubige Pedanten kommen, welche deinen ganzen Alkohol wegtrinken.

Dazu kommt noch die musikalische Hegemonie, die Electroswing-Anlässe all deinen Botellons gegenüber geniesst. Neben etablierten Djs sind es vor allem die Anzug tragenden Live-Bands, welche für die rasant zunehmende Popularität des Genres verantwortlich sind. Sie halten genau das, was die Partytauglichkeit einer Neuinszenierung von Roaring Twenties-Musik verspricht; die Kombination aus mehreren energetischen Musikern auf der Bühne – oftmals mit Vocals in weiblicher Besetzung–, die charmanten Outfits und eine notorisch positive Darbietung garantieren eine rasende Party.

Wegweisend in punkto Qualität und Unterhaltungswert der Live-Performance ist die Band um den österreichischen Musiker Parov Stelar, der auch als Pionier der Electroswings gilt. Gourmands der Musik behaupten, er habe mit seinen Releases auf seinem Label Etage Noir um 2005 den Electroswing als Genre gegründet und in der Musiklandschaft eingebettet. Mit seiner gleichnamigen Band tourt er durch die ganze Welt und beschallt öfters einmal grosse Festivals wie das Openair St.Gallen.

Es gibt auf jeden Fall eine Menge dieser Parties bei denen massenhaft zylindertragende Menschen herumlaufen, die dir das Gefühl vermitteln, als ob man bei einer Zirkusinszenierung des ICFs gelandet sei. Das Ausmass an Anhängerschaft der Bewegung ist nicht zu unterschätzen. Es werden Veranstaltungen in vielen nennenswerten Städten dieser Welt durchgeführt; Paris, Las Vegas, London, Zürich. Für deren Vernetzung ist der Electroswing Club ins Leben gerufen worden. Ein Partylabel und Onlineportal, welches die weltweite Nostalgiker Szene vernetzt und Veranstaltungen unter ihrem Namen durchführt. In der Schweiz sind das Leute wie Mirk-Oh oder Oli-Garch, die zum grossen Swingen animieren.

Ein ähnlicher Mood scheint sich durch diese Veranstaltungen und deren Publikum durchzuziehen. Bei diesen Tanzabenden wird man von einer von den Leuten reflektierten Nostalgie umgarnt, die zum verweilen einlädt. Dadurch erübrigt sich auch das Benötigen von Unmengen an MDMA um sich wie ein tanzwütiger Speedy Gonzales zu bewegen.

Die Musik der ersten Depression, aufgefrischt für die der Gegenwart. Es ist nicht das erste Mal, dass Musik aus einer verflossenen Zeit mit dem Gebrauch zeitgenössischer Technik wieder aktualisiert wird. Spätestens bei den pulsierenden Drum Lines des Hip Hops anfangs 1990er Jahre konnte man sich der Technik des Samplens und somit auch des Remixes nicht mehr negieren. Bei dieser Arbeitstechnik wird bereits vorhandenes Tonmaterial weiterverwendet in dem man es z.B mit Effekten manipuliert oder etwa nur sehr kurze Sequenzen, wie dem Schlag einer Snare Drum, herausschneidet. So kann man im eigenen musikalischen Schaffen etwas an Kreativität sparen und wie Klangkarussell viel Geld damit verdienen.

Auch beim Electroswing wurden alten Jazz Aufnahmen mit neuer Metrik frischen Wind eingehaucht und den Tanzflächen des 21.Jahrhunderts konform gemacht hat. Und es scheint bestens zu funktionieren. Oftmals wird der Klubbesuch von einer Portion Aggressivität gekennzeichnet, ob das nun ungeduldiges Drängeln an der Bar oder sonstige gewalttätige Auseinandersetzungen sind. Es ist auf jeden Fall sehr erfrischend von dieser Aggressivität des Klubgefühls in der Oase des Electroswings zu gelangen, wo negative Gedanken automatisch zu verschwinden scheinen und man sich irgendwie einfach erträgt.

In Zürich hat der Electroswing sein zu Hause im Mehrspur im Toni Areal gefunden. Dort finden monatlich Goldenera Parties statt, wo ihr euch geschmeidig leerganzen könnt, so z.b. diesen Samstag, 29. November 2014.

Der Mehrspur Blog erscheint ein- bis zweimal monatlich und widmet sich jeweils einem Thema rund um die vielseitige Mehrspur-Welt im Toni-Areal © by Phil Cron