Beschallungstechnik – Mehrspur Blog #5

„Wofür brauchen wir einen Subwoofer? Den Unterschied merkt man eh nicht.“

„Darf ich mal eben mein iPhone an deine Böxli hängen? Der nächste Track ist wahnsinnig toll.”

Allgemein scheint es der Beschallungstechnik gegenüber ein sehr geringes Bewusstsein zu geben. Wenn man beim Wort „Beschallungstechnik“ das Schaudern kriegt und vor Langweile langsam innerlich zergeht, sollte man sich auch vor Dingen wie „Audio Interfaces“ oder „symmetrische Signalübertragung“ fern halten. Ebenfalls vom „Mixer“ und „Main Out“.

Die Impertinenz des heutigen Musikkonsums: Entweder man hört Musik mit billigen Kopfhörern oder dann doch in vollster Lautstärke, direkt vom iPhone aus. Das klingt in etwa so, als ob man in ein Konzerthaus gehen würde, um sich eine Orchestersinfonie anzuhören, bei dem die gesamten Bässe und Violinen ausgelassen wurden. Das Problem dabei ist (unter anderem) die Gewöhnung an ein mangelhaftes Hörerlebnis, das den Produktionsweisen und Absichten des Künstlers nicht gerecht wird. Besonders im heutigen Chart Genre gibt es „fabrizierte“ Künstler, was in etwa heisst, dass die Musik per Rezept in allen musikalischen Parametern fabriziert wird. Um überhaupt ernsthaft musizieren zu können, muss im vorherein einiges an Geld investieren.

Lass uns doch kurz die finanziellen Aspekte des Musikproduktionsablaufs durchgehen: Es fängt damit an, dass man einen grosszügigen Raum mit Aussicht zur Verfügung hat, in dem man halbwegs gut musizieren und aufnehmen kann, ohne dass man die im sieben-Minuten-Takt vorbeidonnernde Strassenbahn auf den Liedern haben wird. Ist der Raum nicht Schalldicht genug, braucht man sich nur einer einmonatigen Omlettediät hinzugeben. Dann hat man auch genug Eierschachteln, um das Ganze Bio-konform zu isolieren. Instrumente! Gute Instrumente sind zwingend erforderlich. Am besten möglichst viele, damit man sich nicht auf eine einzige Klangfarbe beschränken muss. Gitarren, Bässe, Keys und ein Schlagzeug. Möglichst viele Synthesizer, denn jeder Synth hat seine ganz eigene Klangeigenschaft und Einsatzgebiet (Bass, Pad, Lead etc.) Dazu kommen Effektgeräte, Laptop und Mikrofone, Soundkarten, Kabel, Lautsprecher, Tische, Stühle, Sofas, eine ununterbrochene Grasversorgung und verdammt viel Champagner. Und ja, man braucht das alles, weil es schlichtweg einen solideren Sound gibt, wie Freeware Plugins.

Nun gibt es Leute die behaupten, sie würden ihre Songs in ihrem Schlafzimmer produzieren. Wer auch immer diese Person ist, die sich als „Bedroom Producer“ outet, aber bei einem bekannten Label unter Vertrag steht – glaubt ihr kein Wort. Das sind dann Leute wie „Baths“ oder „Lapalux“, die scheinbar kein Studio mit acht Schlafplätzen in Malibu Kalifornien haben wie Rick Rubin, die es aber trotz der Behauptung dieser finanzieller Benachteiligung schaffen, liebevolle und qualitativ hochwertige Musik zu machen. Auf der anderen Seite haben wir z.B Katy Perry, bei dem man von jedem Song nebst ihrer High Fidelity auch vom Gefühl ihrer künstlerischen Absichten erschlagen wird, die so persönlich sind und eine Intimität vermittelt, wie es nur etwa vorgedruckte Grusskarten tun können.

Ob „Lapalux“ oder „Katy Perry“, man sollte anfangen, auch neue Musik auf Vinyl bei sich zu Hause genussvoll zu konsumieren. Nicht nur, weil die Musik so ihrer liebevollen Produktionsweise, und der musikalischen Übersetzung der Gefühlen der jeweiligen Künstler gerecht wird. Damit findet auch eine Verlangsamung statt, man sich wirklich Zeit für den Künstler nimmt und ein völlig anderes Musikerlebnis bekommt.

Der Mehrspur Blog erscheint ein- bis zweimal monatlich und widmet sich jeweils einem Thema rund um die vielseitige Mehrspur-Welt im Toni-Areal © by Phil Cron